Bevor eine zuverlässige und genaue chemische oder physikalische Analyse an einer Feststoffprobe durchgeführt werden kann, muss diese im Rahmen der Probenvorbereitung hinreichend zerkleinert und homogenisiert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Einzelprobe repräsentativ für das Ausgangsmaterial ist, und die Probenvorbereitung reproduzierbar abläuft. Nur so können aussagekräftige Analysenergebnisse garantiert werden. Die meisten Probenmaterialien lassen sich durch die Wahl des geeigneten Zerkleinerungsgerätes und des darin wirkenden Beanspruchungsmechanismus (Prall, Druck, Reibung, Scherung, Schneiden) problemlos bei Raumtemperatur auf die benötigte Analysenfeinheit zerkleinern.
Allerdings gibt es Grenzen für eine Vermahlung bei Raumtemperatur, z. B. wenn schon eine geringe Erwärmung der Probe ein Problem darstellt, oder das Material so elastisch ist, dass es mit den genannten Zerkleinerungsprinzipien lediglich verformt wird. Eine ideale Lösung für die Zerkleinerung solcher Proben bietet die sogenannte Kryogen- bzw. Kaltvermahlung. Dabei kommen Mahlhilfsmittel wie Flüssigstickstoff (-196°C) oder Trockeneis (-78°C) zum Einsatz, die das Probenmaterial durch Kühlung verspröden und dadurch das Bruchverhalten verbessern. Außerdem bleiben leicht flüchtige Bestandteile durch die Kühlung besser in der Probe erhalten. Im Folgenden wird erläutert, für welche Proben eine Kryogenvermahlung sinnvoll ist, welche Mühlen geeignet sind, und welche Aspekte beachtet werden müssen.
Bei vielen Polymeren (Kunststoffen wie PP, PET, PA, etc.), aber auch bei anderen Materialien mit visko-elastischem Verhalten kommt es bei der Vermahlung bei Raumtemperatur nur zu einer erheblichen plastischen Verformung, d. h. eine Rissinitiierung - und damit ein Zerbrechen - finden nicht statt. Bei Polymeren, die aufgrund ihrer Flexibilität bei Raumtemperatur Verwendung finden, z. B. Elastomere wie Silikonformen oder Gummireifen, liegt die sogenannte Glasübergangstemperatur weit unter Raumtemperatur. Durch Eintauchen elastischer Kunststoffe in Flüssigstickstoff wird die Glasübergangstemperatur unterschritten und dadurch die Fähigkeit des Materials reduziert, einer hohen mechanischen Beanspruchung durch elastisch-plastisches Verhalten oder viskoses Fließen auszuweichen. Bei der anschließenden Vermahlung des vorgekühlten und erstarrten Materials in einer geeigneten Mühle kommt es zu einem spröden Bruchverhalten der Probe. Eine Kryogenvermahlung ist auch bei Hartplastik sinnvoll, obwohl dies bei Raumtemperatur bereits spröde ist, also die Glasübergangstemperatur über Raumtemperatur liegt. Für die erfolgreiche Aufbereitung muss aber ebenso durch Kaltvermahlung sichergestellt werden, dass die Probentemperatur während des Mahlprozesses die Glasübergangstemperatur nicht überschreitet.
Bei Materialien, die leicht flüchtige Bestandteile wie z. B. Lösungsmittel (Benzol, Toluol, PCB, PCP, o.ä.) enthalten, wird eine zuverlässige, analysengerechte Aufbereitung erschwert, da eine Erwärmung im Laufe der mechanischen Probenaufbereitung zum Verlust dieser Analyten führen kann. Die als Resultat der Zerkleinerung vergrößerte Probenoberfläche erleichtert zusätzlich eine erhöhte Emission der leichtflüchtigen Bestandteile. Durch den Einfluss der tiefen Temperatur von Flüssigstickstoff oder Trockeneis wird der hohe Dampfdruck der Inhaltsstoffe erheblich gesenkt und die Probenmatrix versprödet. Die bei der Zerkleinerung auftretende relative Temperaturerhö- hung bewirkt so kaum noch eine Verflüchtigung der Inhaltstoffe.
In der Probenaufbereitung z. B. zur Extraktion von Nukleinsäuren aus Hefen, Bakterien, Pflanzen, menschlichen und tierischen Geweben, können solche Materialien während und insbesondere nach der Aufbereitung extrem temperatursensibel reagieren und zerstört werden. Auch in diesen Fällen kann die Kaltvermahlung Abhilfe schaffen, da sich die versprödeten Zellverbände und Zellwände einfacher aufbrechen lassen und der anschließende schnelle Zerfall der Zellfragmente erheblich verlangsamt wird. Unerwünschte Zellreaktionen werden durch das Eintauchen der Proben in flüssigen Stickstoff quasi eingefroren, so dass ein späterer Einblick in die Zellaktivitäten zum Zeitpunkt des Interesses möglich ist.
Klebrige oder zähe Proben, wie z. B. Käse, Rosinen, Fruchtgummi oder Marzipan, verklumpen bei Vermahlung bei Raumtemperatur, so dass nur eine unzureichende Homogenisierung stattfindet. Durch deutliches Absenken der Temperatur bei der Kryogenvermahlung wird ein Verklumpen der Probe verhindert und eine hinreichende Homogenisierung für die nachfolgende Analytik sichergestellt.
Bei der Auswahl einer geeigneten Labormühle für die Kryogenvermahlung müssen einige Aspekte beachtet werden. Zum einen ist die Menge der Probe ausschlaggebend für die Wahl der Mühle, aber auch die Aufgabekorngröße und gewünschte Endfeinheit spielen eine wichtige Rolle. Die Schwingmühlen MM 400 und CryoMill sind für die Vermahlung kleiner Probenmengen geeignet. In diesen Mühlen werden selbst bei anspruchsvollen Kunststoffproben häufig höhere Endfeinheiten als z. B. in Rotormühlen erreicht, da die Probe längere Zeit im geschlossenen Mahlbecher verbleibt als im offenen Mahlraum der Rotormühlen. Die Probe wird dabei während der gesamten Mahldauer kontinuierlich gekühlt, in der CryoMill sogar mit Temperaturkonstanz bei -196 °C. Rotormühlen, Mörsermühlen, Messermühlen oder Schneidmühlen können wesentlich größere Probenmengen bzw. Aufgabekorngrößen vermahlen als Schwingmühlen. Durch die Zerkleinerungsmechanismen dieser Mühlen sind die erzielten Endfeinheiten in der Regel jedoch geringer, besonders bei der Zerkleinerung von Kunststoffen. Die Messermühle GRINDOMIX GM 300 eignet sich hauptsächlich für die Kryogenvermahlung von Lebensmitteln, wobei die Versprödung ausschließlich mit Trockeneisschnee erfolgen sollte, da die Mühle nicht für Temperaturen bis -196°C geeignet ist. Bei Rotormühlen oder Schneidmühlen hingegen hat der Anwender die Wahl zwischen einer Versprödung mit Trockeneisschnee oder flüssigem Stickstoff. Flüssiger Stickstoff ist aufgrund der sehr tiefen Temperaturen vor allem für Materialien mit einer Glasübergangstemperatur unter -50 °C geeignet. Eine Versprödung mit Trockeneisschnee bietet den Vorteil, dass dieser nicht so schnell verdampft wie flüssiger Stickstoff und zusammen mit der Probe vermahlen werden kann, was zu einem verlängerten Kühleffekt führt. Dies ist gerade für Materialien mit geringer Wärmekapazität von Vorteil, welche die kühle Temperatur schlecht halten können (z. B. dünne Plastikfolien in Sekundärbrennstoffen). Außerdem ist die Probenaufgabe mit Trockeneisschnee in der Regel einfacher, da die Probe nicht aus einem Bad mit flüssigen Stickstoff geholt werden muss, was vor allem bei sehr feinen Ausgangspartikeln kleiner als 1 mm vorteilhaft ist. Die Handhabung von Trockeneisschnee ist gegenüber flüssigem Stickstoff sicherer, da z. B. geringere Erstickungsgefahr besteht. Zudem wird das Proben-Trockeneis- Gemisch als Ganzes vermahlen, wodurch ein Spritzen wie bei der Verwendung von flüssigem Stickstoff vermieden wird. Unabhängig davon sollten immer die einschlägigen Sicherheitsvorkehrungen bei Umgang mit tiefkalten Hilfsmitteln beachtet werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Mühlen vorgestellt, die für Kryogenvermahlungen in Frage kommen.
Für die Homogenisierung kleinerer Probenmengen sind die Schwingmühlen MM 400 und CryoMill bestens geeignet, wobei die maximale Aufgabekorngröße bei 8 mm liegt. Diese Mühlen verfügen über eine bzw. zwei Mahlstationen, die mit fest verschlossenen Mahlbechern bestückt werden, die mit Probe und Mahlkugeln befüllt sind. Erst dann findet die Versprödung der Probe mit Flüssigstickstoff statt. In der MM 400 kann dies in Mahlbechern aus Stahl oder PTFE bzw. in Einmalgefäßen von 1,5, 2 oder 5 ml Größe erfolgen. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass kein flüssiger Stickstoff in den Mahlbechern eingeschlossen wird, da dieser bei der Erwärmung während des Mahlvorganges durch Übergang in die Gasphase zu einem stark erhöhten Innendruck führen würde. Mit einer Tiegelzange wird der verschlossene Mahlbecher für ca. 2 – 3 Minuten in den mit Flüssigstickstoff gefüllten Isolierbehälter gelegt und danach mit der Tiegelzange entnommen und sicher in die MM 400 eingespannt. Bedingt durch den hohen Energieeintrag und die daraus resultierende Reibungswärme sollte die Mahldauer 3 min nicht überschreiten, um eine signifikante Erwärmung der Probe oder eine Veränderung der Brucheigenschaften zu vermeiden. Bei längeren Mahldauern ist eine Zwischenkühlung des geschlossenen Bechers ratsam. Im Gegensatz zur MM 400 bietet die CryoMill den Vorteil einer kontinuierlichen Spülung der Mahlbecherhalterung mit Flüssigstickstoff, wodurch Mahlbecher und Probe nach wenigen Minuten ebenfalls auf -196°C gekühlt sind. Somit ist eine Temperaturkonstanz bei – 196 °C auch bei längerer Vermahlung garantiert, eine Zwischenkühlung wie bei längeren Kryogenvermahlungen in der MM 400 ist nicht erforderlich. Außerdem kommt der Anwender zu keinem Zeitpunkt mit flüssigem Stickstoff in Kontakt, was den Betrieb der CryoMill besonders sicher macht. Die automatische Vorkühlfunktion der Mühle garantiert, dass die Vermahlung erst bei Erreichen der Temperaturkonstanz bei – 196 °C startet. Für die schwermetallfreie Probenaufbereitung steht für die CryoMill ein Mahlbecher aus Zirkonoxid zur Verfügung.
Die oben beschriebenen Aspekte zur Wahl des Mahlhilfsstoffes sind auch bei der Kryogenvermahlung in der Schneidmühle SM 300 zu beachten. Diese Mühle ist besonders für die Zerkleinerung von zähen Materialien wie Schuhsohlen oder Bitumen geeignet, akzeptiert aber größere Ausgangpartikel als die ZM 200. Selbst grob zerteilte, mit flüssigem Stickstoff versprödete Autoreifen lassen sich in dieser Mühle gut homogenisieren. Da das Probenmaterial bei der Versprödung recht hart wird empfiehlt sich die Verwendung des 6-Scheiben-Rotors, welcher eher wie ein Schredder wirkt. Dieser ist auch für heterogene Proben wie z. B. gefrorene Hühnerteile samt Knochen geeignet. Sollen dünne Plastikfolien, wie sie oft in Sekundärbrennstoffen vorkommen vermahlen werden, ist die Versprödung mit Trockeneisschnee besonders zu empfehlen, da das verbliebene Trockeneis die Probe während der Vermahlung kontinuierlich kühlt.
Klebrige oder zähe Proben, wie z. B. Käse, Rosinen, Fruchtgummi oder Marzipan, verklumpen bei Vermahlung bei Raumtemperatur, so dass nur eine unzureichende Homogenisierung stattfindet. Durch deutliches Absenken der Temperatur bei der Kryogenvermahlung wird ein Verklumpen der Probe verhindert und eine hinreichende Homogenisierung für die nachfolgende Analytik sichergestellt.
Klebrige und zähe Lebensmittel wie Rosinen, Fruchtgummi oder Marzipan lassen sich in der Messermühle GRINDOMIX GM 300 hervorragend homogenisieren. Selbst Schokolade, die bei Raumtemperatur lediglich zu einer Paste vermahlen werden kann, lässt sich kryogen problemlos pulverisieren. Dazu wird die Probe im Verhältnis 1:2 mit Trockeneisschnee vermischt; nach wenigen Minuten ist sie durchgekühlt und die Vermahlung in der GM 300 kann erfolgen. Der Trockeneisschnee kühlt die Probe auch während der Vermahlung. Für die Kryogenvermahlung in der GM 300 ist es wichtig, Zubehörmaterial ohne Kunststoffanteile einzusetzen, da diese sonst ebenfalls verspröden und beschädigt werden könnten. Für die GM 300 stehen ein Mahlbehälter aus Stahl, ein Vollmetallmesser sowie ein Deckel zur Kryogenvermahlung zur Verfügung. Letzterer weist ein Loch auf, damit gasförmiges CO2 entweichen kann.
Bei einer Vielzahl von Materialien ist der Einsatz von Trockeneis oder Flüssigstickstoff als Mahlhilfe die einzige Möglichkeit, eine Probe zu erhalten, die für die nachfolgende Analytik verwendet werden kann. RETSCH bietet verschiedene Labormühlen an, die eine schonende und effiziente Kaltvermahlung des Probengutes ermöglichen und den Kosten- und Arbeitsaufwand deutlich reduzieren. Das entsprechende Zubehör gewährleistet eine sichere Durchführung des Mahlprozesses.